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Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150Es folgt Seite №143

Zugang zu Orphan Drugs in der Schweiz

Eine Systemkritik

Keywords:
Orphan Drugs, Arzneimittel, Spezialitätenliste, seltene Krankheiten, Erstattung, Vergütung

Abstract

Although there is a political will to promote orphan drugs and an awareness of the problem, there is no timely access to orphan drugs in Switzerland. The reasons for this are manifold and some solutions exist. Nevertheless, these are probably insufficient to solve the problem, which is why further solutions need to be discussed.

I. Vorbemerkungen

Wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten werden in Fachkreisen «Orphan Drugs» genannt. Die Krankheiten, gegen welche sie eingesetzt werden, werden als «Orphan Diseases» bezeichnet. Diese Terminologie rührt daher, dass die Entwicklung von Arzneimitteln für solche Krankheiten infolge der geringen Patientenzahlen als unrentabel gelten, weshalb in diesen Gebieten wenig Forschung betrieben wird und die Krankheiten «verwaisen».1 Bislang gibt es für nur ca. 5% der geschätzt 6000–8000 verschiedenen seltenen Krankheiten eine zugelassene Therapie. Aufgrund dessen gilt dieses Gebiet als vernachlässigt. Um diese unbefriedigende Situation zu verbessern, wird die Erforschung und Entwicklung von Orphan Drugs international gezielt gefördert.2

Im Zusammenhang mit Orphan Drugs stellen sich viele Fragen. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über dieses Themengebiet geben. Nach einleitenden Worten zu den Orphan Drugs und zur Ausgangslage unterzieht der vorliegende Artikel die Vergütung von Orphan Drugs einem «Reality-Check», ergründet kurz mögliche Ursachen der aufgeworfenen Probleme, zeigt die bisherigen Lösungsansätze auf und macht weitergehende Lösungsvorschläge.

Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 144

II. Einleitung

A. Definition der Orphan Drugs

Es findet sich in Art. 4 Abs. 1 lit. adecies HMG3 eine Legaldefinition der Orphan Drugs. Ein Orphan Drug hat alternativ folgende Merkmale:

  • Es dient der Erkennung, Verhütung oder Behandlung einer lebensbedrohenden oder chronisch invalidisierenden Erkrankung, von der zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung höchstens fünf von zehntausend Personen in der Schweiz betroffen sind.
  • Ihm oder seinem Wirkstoff wurde von einem anderen Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle im Sinne von Art. 13 HMG der Status als wichtiges Arzneimittel für seltene Krankheiten zuerkannt.4

Die Voraussetzungen, unter welchen der sog. ODS5 gewährt wird, präzisiert Art. 4 VAZV6.7 Eine pharmazeutische Unternehmung kann den ODS vor dem Zulassungsgesuch, während des Zulassungsverfahrens oder gar nach der erteilten Zulassung beantragen (Art. 4 Abs. 3 VAZV).8 Wird der Status erteilt, wird das Arzneimittel in die Liste der wichtigen Arzneimittel für seltene Krankheiten aufgenommen (Art. 7 VAZV).

B. Zulassung von Orphan Drugs

Orphan Drugs sind als Arzneimittel zulassungspflichtig, wenn sie in der Schweiz in Verkehr gebracht werden sollen (Art. 9 HMG). Erfolgt die Verleihung des ODS vor oder während des Zulassungsverfahrens, kann die Durchführung eines vereinfachten Zulassungsverfahrens beantragt werden (Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG). Für die Zulassung wird dem Kriterium der Seltenheit Rechnung getragen (Art. 26 VAZV). Dies schliesst insbesondere die limitierte Patientenzahl, aber auch die erschwerte Studiendurchführung ein. So kann Swissmedic bei Orphan Drugs in begründeten Fällen auch publizierte Resultate anstelle von vollständigen Studienberichten akzeptieren.9

C. Vergütung von Arzneimitteln in der Schweiz im Generellen

Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG10 ordnet an, dass das BAG11 eine Liste mit den pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimitteln erstellt, die sog. SL12. Diese Arzneimittel werden von der OKP13 zur Bezahlung übernommen.14 Für die Aufnahme in die SL ist ein Gesuch vorausgesetzt (Art. 30a KLV15).16 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG17 (Art. 1 VwVG). Die Arzneimittel müssen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen, um in die SL aufgenommen zu werden (vgl. etwa Art. 32 Abs. 1 KVG, Art. 65 Abs. 3, 65a, 65b KVV18, Art. 32 f.3 KLV).19

«Wirksamkeit» bedeutet, dass der Einsatz des Arzneimittels geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen, d.h. es ist für die Beurteilung entscheidend, welcher medizinische Erfolg damit erzielt werden soll.20 Das BAG stützt sich für die eigene Beurteilung der Wirksamkeit auf die Unterlagen, die für die Zulassung durch die Swissmedic massgebend waren; es kann aber auch weitere Unterlagen verlangen (Art. 32 KLV).21 Ein vereinfachtes Verfahren (analog der Swissmedic-Zulassung, vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG) ist für die Vergütung nicht vorgesehen.

Die «Zweckmässigkeit» eines Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und Zusammensetzung wird nach klinisch-pharmakologischen und galenischen Erwägungen, nach unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung beurteilt (Art. 33 Abs. 1 KLV). Das BAG stützt sich für die Beurteilung der Zweckmässigkeit auf die Unterlagen, die für die Zulassung durch die Swissmedic massgebend waren; auch hier kann es weitere Unterlagen verlangen (Art. 33 Abs. 2 KLV).22

Die «Wirtschaftlichkeit» beurteilt sich nach den gleich zu gewichtenden Kriterien des APV23 und des TQV24 (Art. 65b Abs. 2 und 5 KVV).25

Insbesondere Neuaufnahmegesuche werden vom BAG der EAK26 zur Konsultation vorgelegt (Art. 31 Abs. 1 KLV). Gestützt auf diese Konsultation, die Eingaben der Zulassungsinhaberin sowie die eigene Beurteilung erlässt das BAG die Verfügung betreffend Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 145die Aufnahme des Arzneimittels zu einem bestimmten Preis in die SL.

III. Ausgangslage

A. Die Betroffenen

Von einer seltenen Krankheit sind nur sehr wenige Patienten betroffen, was sich im Prävalenzkriterium (d.h. 5 Betroffene auf 10000 Personen) widerspiegelt. Die Gesamtzahl aller direkt von seltenen Krankheiten Betroffenen summiert sich aufgrund der zahlreichen verschiedenen seltenen Krankheiten auf geschätzt ca. 580000 Patienten in der Schweiz. Da rund 80% der seltenen Krankheiten genetisch bedingt sind, sind oft Kinder davon betroffen, und somit auch deren Eltern und weitere Angehörige, so dass die oben genannte Zahl sich weiter stark erhöht. Um sie vor Krankheitsprogression und damit einhergehenden irreversiblen Schäden zu bewahren, sind eine schnelle und korrekte Diagnose und Therapie entscheidend.27

B. Die «bisherige Intention»

Seit der Einführung des HMG besteht die Möglichkeit einer vereinfachten Zulassung von Orphan Drugs (Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG, Art. 4 ff. und Art. 24 ff. VAZV). Trotz dieser Anreize fristeten Orphan Drugs ein etwas unbeachtetes Dasein.28

Im Jahr 2010 reichte Nationalrätin Ruth Humbel das Postulat 10.4055 ein, das den Bundesrat beauftragte, «[…] eine nationale Strategie für seltene Krankheiten zu erarbeiten. Ziel ist es, dass Patienten mit seltenen Krankheiten in der ganzen Schweiz medizinisch gleich gut versorgt werden. Dies beinhaltet eine rechtzeitige Diagnostik, eine zweckmässige Behandlung, den rechtsgleichen Zugang zu wirksamen, evidenzbasierenden Therapien und Arzneimitteln […]». In der Begründung wurde auf folgenden Sachverhalt hingewiesen: «Arzneimitteltherapien müssen meist im Off-Label-Bereich durchgeführt werden, was zu Ungleichbehandlungen bei Zugang und OKP-Finanzierung führt.». Der Bundesrat hat in Erfüllung des Postulats 10.4055 der Verwaltung im Jahr 2014 den Auftrag erteilt, ein «Nationales Konzept seltene Krankheiten» zu schaffen. In seiner Stellungnahme vom 11.3.2011 heisst es: «In der Schweiz wurde für 96 Arzneimittel ein Orphan-Drug-Status gewährt; 45 davon sind bereits von Swissmedic zugelassen. Von diesen bereits zugelassenen Arzneimitteln sind 41 auf der SL aufgeführt und werden somit durch die OKP vergütet. Nicht auf der SL aufgeführte Arzneimittel für seltene Krankheiten werden allenfalls über den «off-label use» durch die OKP vergütet, sofern die diesbezüglichen Kriterien des Bundesgerichtes[29] erfüllt sind.»

C. Der «Reality-Check»

1. «Nationales Konzept seltene Krankheiten»

Die Umsetzung der im Rahmen des Nationalen Konzepts definierten 19 Massnahmen zur Erreichung von 8 Zielen (die ersten beiden Ziele beinhalten den Zugang zu Diagnose und Therapien bzw. ihre Vergütung) war ursprünglich innerhalb von drei Jahren bis 2017 vorgesehen, wurde aber bis 2022 verlängert und ist bis dato noch nicht abgeschlossen.30 Auf die Interpellationen 17.3087 (Yvonne Feri) und 17.3290 (Barbara Schmid-Federer) antwortete der Bundesrat 2017: «Die konkrete Bezeichnung von krankheits(gruppen)spezifischen Versorgungsnetzwerken und Referenzzentren (für anspruchsvolle Abklärungen und Behandlungen) hat sich […] aufgrund der notwendigen und schliesslich erfolgreichen Überzeugungsarbeit bei einer Reihe betroffener Stakeholder in die Länge gezogen.». Das seit 2014 angestrebte Ziel des Konzepts, nämlich die Verbesserung der Situation von Betroffenen, ist damit noch nicht vollständig erreicht. Immerhin hat die 2017 gegründete «Nationale Koordination seltene Krankheiten» (kosek) 2020 die ersten sechs Zentren zur besseren Versorgung von Betroffenen von seltenen Krankheiten anerkannt.31 Inzwischen sind es insgesamt neun Zentren.32

2. Dauer des SL-Aufnahmeprozesses und Anzahl vergütete Orphan Drugs

Die Swissmedic-Zulassung von Orphan Drugs ist, wie gesagt, von Vereinfachungen geprägt, da die Durchführung von Studien erschwert ist und lediglich eine limitierte Patientenzahl zur Verfügung steht.33 Anders als z.B. in Deutschland34 besteht jedoch hinsichtlich der Vergütung von Orphan Drugs keine Vereinfachung.

Wie gesagt erstellt das BAG die SL (Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG). Die SL wird online veröffentlicht und ist Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 146für einen allgemeinen, rechtsgleichen Zugang der Bevölkerung von herausragender Bedeutung, da sie die Vergütung durch die OKP regelt. Darin festgelegt sind der für die Zulassungsinhaberin massgebende FAP35, der von den Leistungserbringern in Rechnung gestellte PP36 sowie allfällige Vergütungsbedingungen (Limitierungen, vgl. Art. 73 KVV). Zudem sind weitere Informationen enthalten, wie das Aufnahmedatum, die Zulassungsinhaberin, Zulassungs-/Identifikationsnummern, Marken- und Wirkstoffnamen etc.37

Diese Daten erlauben einen Abgleich mit dem von Swissmedic herausgegebenen Verzeichnis der Orphan Drugs (vgl. Art. 7 VAZV), welche mit der SL überlappende Informationen (wie z.B. Zulassungsnummern, Wirkstoff- bzw. Markennamen) enthält.38 Damit ist u.a. die Ermittlung der Zeitdauer zwischen dem Datum der Marktzulassung durch Swissmedic und dem Datum der SL-Aufnahme durch das BAG (gleichbedeutend mit der nationalen Vergütung durch die Krankenversicherer) für ein spezifisches Arzneimittel möglich. Dies stellt den Gradmesser für einen breiten, national rechtsgleichen Zugang für alle Betroffenen dar, weshalb die SL-Aufnahme im vorliegenden Aufsatz zur Beurteilung des Zugangs berücksichtigt wird. Die Vergütung über andere Wege, so etwa die Einzelfallvergütung nach Art. 71a–d KVV oder z.B. die Vergütung über die GG-SL39 im Bereich der Invalidenversicherung stellen demgegenüber u.E. lediglich «Sonderformen» der Vergütung dar.

Gemäss dem von Swissmedic am 31. Oktober 2020 publizierten Verzeichnis der Arzneimittel mit ODS40 gibt es bis Ende 2020 (Stichtag: 5.12.2020) 155 verschiedene Wirkstoffe mit ODS, für die ein Swissmedic-Zulassungsdatum angegeben wird (davon sind 2 Krebstherapien befristet zugelassen, vgl. Abbildung 1: zugelassene Wirkstoffe mit ODS).

Ein Abgleich der Daten des Verzeichnisses der Arzneimittel mit ODS mit der online publizierten SL ergibt folgendes Bild:

  • Pro Wirkstoff wurde das früheste verfügbare Datum (z.B. bei unterschiedlichen galenischen Formen oder Herstellern) als Zeitpunkt der Zulassung definiert. Für insgesamt 93 der 155 zugelassenen Wirkstoffe mit ODS wurde ein SL-Aufnahmedatum identifiziert. Die gesamte Erstattungsrate liegt damit bei 60% (93 von 155 Wirkstoffen).
  • Die Zunahme von neu zugelassenen Arzneimitteln ist dauerhaft grösser als die Zunahme von vergüteten Arzneimitteln. Zwischen Zulassungen und SL-Aufnahmen öffnet sich eine Art «Schere», die eine weitere Zunahme von nicht erstatteten Orphan Drugs erwarten lässt. Dieser Effekt deutet auf ein systemisches Problem zwischen Zulassungs- und Erstattungsprozess hin, der – sofern keine Gegenmassnahmen getroffen werden – weiter anhalten dürfte (vgl. Abbildung 2: erstattete Wirkstoffe mit ODS).

  • Die Zeitspanne zwischen der Zulassung durch Swissmedic und der nationalen Vergütung (d.h. der SL-Aufnahme) zeigt, dass die Dauer bis zur SL-Aufnahme für die 93 erstatteten Wirkstoffe durchschnittlich 459 Tage (15,3 Monate) bzw. für 28 zur Behandlung von Krebs eingesetzte Wirkstoffe 327 Tage (10,9 Monate) betrug. 15 von 93 Wirkstoffen (17%) wurden innerhalb von 60 Tagen41 aufgenommen (1 davon in den letzten 3 Jahren), 10 SL-Aufnahmen (11%) dauerten hingegen mehr als 3 Jahre (davon 4 Wirkstoffe in den letzten 3 Jahren). Die 2020 neu in die SL aufgenommenen 8 Wirkstoffe brauchten durchschnittlich 785 Tage (26,2 Monate) bis zur Aufnahme in die SL, wurden von Swissmedic also bereits 2,2 Jahre zuvor zugelassen. Im Jahr 2019 lag die Dauer noch bei 645 Tagen (21,5 Monate bzw. 1,8 Jahre). Damit hat sich die Situation in den letzten Jahren zugespitzt und eine neue Dimension erreicht: Seit Einführung der VAZV im Jahr 2006 bzw. des Nationalen Konzepts für seltene Krankheiten im Jahr 2014 hat es durchschnittlich noch nie so lange gedauert, bis neue Wirkstoffe für seltene Krankheiten über die SL erstattet wurden. Die Betroffenen werden dadurch zunehmend in den Bereich der Einzelfallvergütung (Art. 71a–d Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 147KVV) gedrängt und sind damit abhängig von einer vertrauensärztlichen Empfehlung bzw. Entscheidung einer einzelnen Krankenversicherung bzw. deren Zusammenarbeit mit der jeweiligen Zulassungsinhaberin.
  • Von den 155 (hier definiert als 100%) betrachteten, von Swissmedic zugelassenen Wirkstoffen mit ODS sind 153 Wirkstoffe (99%) unbefristet und 2 Wirkstoffe (1%) befristet zugelassen (seit 2020). In der SL hingegen sind von 93 erstatteten Wirkstoffen (60%) 26 Wirkstoffe (17%) befristet aufgenommen und 86 Wirkstoffe (55%) mit einer Limitation versehen. Somit sind durchschnittlich nur 45% der betrachteten zugelassenen Wirkstoffe uneingeschränkt zugänglich. Interessant ist auch, dass von den in den 4 Jahren 2017–2020 in die SL aufgenommenen Wirkstoffen mit ODS 92% mit einer Limitierung versehen und/oder befristet in die SL aufgenommen wurden – also nahezu alle. Sie wurden nach durchschnittlich 464 Tagen (15,5 Monaten) in die SL aufgenommen. Dies ist 2,5 Monate langsamer als die nicht limitierten Wirkstoffe (durchschnittlich 391 Tage bzw. 13 Monate). Das Mittel der Limitierung/Befristung führt also keineswegs dazu, dass definierte Patientengruppen einen schnelleren Zugang erhalten, sondern ist im Gegenteil mit einer Verzögerung assoziiert.
  • Gerade im Bereich medizinischer Innovationen ist die Situation besonders erschwert: 4 der 12 im Jahr 2018 zugelassenen Wirkstoffe (33%), 5 der 11 im Jahr 2019 zugelassenen Wirkstoffe (45%) und 2 der 19 im Jahr 2020 zugelassenen Wirkstoffe (11%) wurden im selben Zeitraum (2018–2020) auch in die SL aufgenommen.

Angesichts der aktuell ohnehin knapp zur Verfügung stehenden wichtigen Arzneimittel für seltene Krankheiten ist es umso erstaunlicher, dass die Anzahl der aus der Grundversicherung über die SL vergüteten Orphan Drugs gering ausfällt (93 Wirkstoffe bzw. 60% der effektiv zugelassenen Produkte, vgl. Abbildung 1 oben).

Weniger als die Hälfte der zugelassenen Wirkstoffe (45%) sind, wie gesagt, ohne Limitierung i.S.v. Art. 73 KVV bzw. unbefristet zugänglich. Die Anzahl nicht zugelassener und nicht über die SL vergüteter Orphan Drugs steigt jährlich an (vgl. Abbildung 3; Anzahl zugelassener aber nicht erstatteter Wirkstoffe mit ODS).

Auch neuere, im April 2022 veröffentlichte Daten zeigen, dass die Schweiz im europäischen Vergleich nur an 7. Stelle mit 34 (60%) verfügbaren Orphan Drugs (voll oder limitiert verfügbar) von insgesamt 57 Orphan Drugs rangiert.42 Diese waren durchschnittlich nach 462 Tagen (15,4 Monaten) nach Marktzulassung verfügbar, was im europäischen Vergleich nur Rang 14 entspricht. Nach Ausschluss von onkologischen Therapien sind nur 52% (22 von 42) der Orphan Drugs voll (21%) oder limitiert (31%) verfügbar, dies durchschnittlich nach 533 Tagen (17,8 Monaten).43

3. Exkurs: Bick nach Deutschland

«Best in class» hinsichtlich der Vergütung von Orphan Drugs ist Deutschland. Es erzielt sowohl bei der Anzahl an verfügbaren Orphan Drugs als auch bei der Zeit bis zur Vergütung die besten Werte und setzt somit international Massstäbe: 95% bzw. 93% (nicht-onkologische) der Orphan Drugs werden nach durchschnittlich 102 bzw. 79 Tagen vergütet.44 Interessant ist ausserdem, dass gemessen an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland der Kostenanteil von Orphan Drugs nur rund 0,5% bzw. ihr Anteil an den Gesamtausgaben für Arzneimittel nur 4% ausmacht.45 Obwohl die Kosten pro Patient im Einzelfall sehr hoch sein können, haben Orphan Drugs also einen geringen Einfluss auf die Gesundheitskosten («budget impact») in dem Land, das die meisten (nahezu alle zugelassenen) Orphan Drugs vergütet – und dies schneller als alle anderen Vergleichsländer. Schneller und breiter Zugang zu Orphan Drugs und die Finanzierbarkeit derselben schliessen sich also nicht gegenseitig aus.

4. Ergebnis des «Reality-Checks» und Problemstellung

Zwar haben die Politik und Verwaltung erkannt, dass ein grosser Bedarf für wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten besteht, weshalb das Nationale Konzept Seltene Krankheiten erarbeitet wurde. Trotzdem besteht heute eine erhebliche Verzögerung bei der Aufnahme in die SL einerseits und andererseits steigt die Anzahl der über die SL nicht vergüteten Orphan Drugs jährlich stetig an. Mithin ist Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 148festzuhalten, dass trotz der Erkenntnis über die Notwendigkeit solcher Arzneimittel das heutige Regulierungssystem nicht in der Lage ist, einen schnellen und flächendeckenden Zugang zu Orphan Drugs über die SL sicherzustellen.

IV. Eine kurze Ursachensuche

A. Unterschiedliche Ellen bei der Wirksamkeitsbeurteilung

Der schwierige Zugang zu Orphan Drugs in der Schweiz ist auch der Politik nicht entgangen und wird weiterhin von parlamentarischen Vorstössen thematisiert (siehe z.B. Interpellation 22.3101, eingereicht von Nationalrätin Yvonne Feri im März 2022, sowie die Fragen 22.7210 und 22.7493, eingereicht von Nationalrat Christian Lohr, ebenfalls im März und im Juni 2022). Demzufolge kommt es vor, dass das BAG die Aufnahme von wichtigen Arzneimitteln für seltene Krankheiten in die Spezialitätenliste trotz Zulassung von Swissmedic u.a. mit der Begründung des nicht erfüllten Wirksamkeitskriteriums ablehnt.

B. Personal des BAG

Art. 31b KLV besagt, dass die Aufnahme von Arzneimitteln in die SL in der Regel innerhalb von 60 Tagen nach Zulassung erfolgen soll, wenn die Voraussetzungen für das Eintreten auf das Zulassungsgesuch vor der definitiven Zulassung erfüllt sind. Angesichts der obigen Ausführungen erweist sich die Einhaltung dieser Ordnungsfrist meist als Illusion. Dies lässt vermuten, dass der Personalbestand beim BAG unterdotiert ist oder ineffizient eingesetzt wird.

C. Unstrukturierter Prozess

Einhergehend mit der Frage zu den personellen Ressourcen bzw. deren Einsatz zeigt sich ein ungenügend strukturierter Prozess betreffend Fristen und Milestones. Zwar ist noch festgelegt, dass ein Gesuch der EAK vorgelegt wird. Danach antwortet das BAG der Zulassungsinhaberin mittels Mitteilung. Es ist allerdings nicht festgelegt, wann das BAG auf Eingaben antwortet. Dies führt in der Praxis dazu, dass Zulassungsinhaberinnen und BAG teilweise monatelang auf Antworten warten müssen, was zu unnötigen Verzögerungen führt.

D. Preise für Orphan Drugs

Die Nicht-Aufnahme in die SL kann in gewissen Fällen auch ihren Ursprung in unterschiedlichen Preisvorstellungen von BAG und Pharmaunternehmen haben. Die Kosten von Orphan Drugs, die im Einzelfall pro Patient zwar extrem hoch sein können, befinden sich europäischen Daten aus mehreren Ländern zufolge im mittleren einstelligen Prozentbereich der gesamten Arzneimittelausgaben,46 welche in der Schweiz wiederum 11,7% der gesamten Kosten im Gesundheitswesen ausmachen.47 Obwohl in den letzten 20 Jahren einhergehend mit der Zunahme von verfügbaren Orphan Drugs ein Anstieg bei den Ausgaben dafür zu beobachten war, bleibt der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben in den Gesundheitssystemen u.a. durch einen vermehrten Einsatz von Generika bzw. Biosimilars insgesamt konstant.48 Eine Kostenexplosion durch zusätzliche SL-Aufnahmen im Bereich seltener Krankheiten ist somit u.E. nicht eingetreten. Hinzu kommt, dass die Schweizer Bevölkerung solidarisch ist und damit einverstanden ist, dass Betroffene mit seltenen Krankheiten eine Therapie erhalten, auch wenn diese den normalen Kostenrahmen bei Weitem übertrifft.49

V. Bisherige Lösungsansätze und deren Beurteilung

A. Aktuelle Regelung zu Art. 71a–d KVV

Das heutige Recht sieht mit Art. 71a–d KVV eine Vergütung im Einzelfall für gewisse Arzneimittel insbesondere mit hohem therapeutischem Nutzen vor. Doch dieser Weg ist aktuell u.a. aufgrund der schwierigen Zugangssituation über die SL mit hohen Fallzahlen nach unserer Einschätzung überlastet, da sämtliche neuen Arzneimittel oder Indikationen zumindest eine Zeit lang hierüber vergütet werden. Zudem ist der Weg über Art. 71a–d KVV mit einem zu hohen administrativen Aufwand und uneinheitlichen Beurteilungen verbunden, so dass vergleichbare Patientenfälle ineffizient und divergent beurteilt und getroffene Entscheidungen über eine Kostenübernahme nicht nachvollziehbar und intransparent sein können.50 Wir beurteilen diese Lösung als unbefriedigend.

B. Private Pilotprojekte im Zusammenhang mit Art. 71a–d KVV

Im Zusammenhang mit der Vergütung von Arzneimitteln im Einzelfall nach Art. 71a–d KVV kann auch der sogenannte Swiss Patient Access Pilot gesehen Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 149werden. In diesem haben einige Stakeholder auch Erfahrungen mit einem konstruktiven Ansatz im Bereich des Zugangs für Einzelfälle zu Krebsmedikamenten, wobei Onkologen eine schnelle Nutzeneinschätzung vornehmen und so die Zugangssituation von Patienten verbessern.51 Mit der Beurteilung durch ein Expertengremium kann eine gewisse Rechtsgleichheit bei der Beurteilung der Kostenübernahme im Einzelfall nach Art. 71a–d KVV erreicht werden, was zu begrüssen ist.

C. Revision von Art. 71a–d KVV

Am 3.6.2022 eröffnete das EDI die Vernehmlassung zur Revision von Art. 71a–d KVV.52 Ins Auge sticht insbesondere die Neuerung, dass Krankenversicherer die Kosten nur mit gewissen hohen Mindestabschlägen übernehmen dürften (vgl. Art. 71a Abs. 2 E-KVV sowie Art. 38d und 38e E-KLV), im Gegensatz zum heutigen Vorgehen, wobei Versicherer und Hersteller sich (meist erfolgreich) bilateral einigen. Die Vernehmlassungvorlage wurde von Interpharma denn auch umgehend kritisiert.53 Auch wir beurteilen die Revisionsvorlage als mangelhaft mit Bezug auf den Zugang zu Orphan Drugs, da wichtige Probleme nicht angegangen werden. Die unterschiedliche Beurteilung der Wirksamkeit zwischen Swissmedic und BAG wird damit nicht behoben. Zudem ist zu bezweifeln, dass es für Unternehmen weiterhin attraktiv sein wird, zu derart hohen, fixen Abschlägen ihre innovativen Produkte schnell in der Schweiz zur Verfügung zu stellen, insbesondere angesichts internationaler Marktgegebenheiten und im Wissen darum, dass ihre Aufnahmegesuche nicht speditiv bearbeitet werden.

D. Vertrauliche Preismodelle

In einem weiteren Bericht zur Versorgung von seltenen Krankheiten erkennt der Bundesrat zahlreiche Herausforderungen für die Vergütung von wichtigen Arzneimitteln für seltene Krankheiten über die SL.54 Als einzige Handlungsoption wird die Schaffung von Rahmenbedingungen für (vertrauliche) Preismodelle bzw. deren Anwendung genannt. Diese Massnahme wurde im Rahmen des Kostendämpfungspakets 2 in die Vernehmlassung geschickt (vgl. Art. 52c VE-KVG55).

Es darf bezweifelt werden, dass die Kosten für Orphan Drugs tatsächlich das Hauptproblem der aktuellen Zugangsproblematik sind, denn gemessen an den Gesamtausgaben im Gesundheitssystem sind sie gering.56 Zudem erreichen ein und dieselben Zulassungsinhaberinnen in einigen anderen Ländern einen deutlich besseren Zugang als in der Schweiz.57 Preismodelle eröffnen sicherlich mehr Handlungsspielräume in komplexen Situationen. Um all die anderen genannten Herausforderungen zu adressieren, sind sie isoliert betrachtet jedoch unzureichend und nicht unumstritten. Die angesichts der limitierten Therapieoptionen durchaus wünschenswerte Zunahme an Gesuchen (die übrigens nicht erst kürzlich einsetzte, sondern sich bereits seit mehreren Jahren ankündigte und zu beobachten war) kombiniert mit einer zweifellos zunehmenden Komplexität wird mit den heutigen Verwaltungsprozessen bzw. der heutigen Verwaltungspraxis nicht zu bewerkstelligen sein.

VI. Lösungsvorschläge

A. Förderung von Forschung und Entwicklung

Angesichts der relativ wenigen zur Behandlung von seltenen Krankheiten zugelassenen Wirkstoffen ist weiterhin eine gezielte, kontinuierliche Förderung von Forschung und Entwicklung von Orphan Drugs notwendig. Ein besserer Einbezug von Betroffenen (z.B. Patientenorganisationen) wäre wünschenswert.

B. Personal des BAG

Der Personalbestand und -einsatz des BAG muss es erlauben, eine Zunahme von komplexen Gesuchen um Aufnahme in die SL schnell und effizient zu bewältigen, damit die Betroffenen schnelleren Zugang zu Innovationen – und den dafür notwendigen diagnostischen Leistungen – bekommen.

C. Abstimmung Zulassungs- und SL-Aufnahmeprozess

Der Zulassungsprozess und der SL-Aufnahmeprozess müssen besser aufeinander abgestimmt werden. Es ist nicht einzusehen, dass auf heilmittelrechtlicher Ebene eine vereinfachte Zulassung besteht (Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG, Art. 24 ff. VAZV), welche insbesondere Erleichterungen bei der Beibringung von klinischen Studien vorsieht (Art. 26 Abs. 1 VAZV), das BAG jedoch eigene Wirksamkeitsmassstäbe zur Anwendung bringt, zumal Art. 32 KLV bereits heute vorsieht, dass sich das BAG bei der Beurteilung der Wirksamkeit auf die Unterlagen stützen soll, die Aus der ZeitschriftLSR 3/2022 | S. 143–150 Es folgt Seite № 150für die Zulassung durch Swissmedic massgebend waren. So können Doppelspurigkeiten und inkonsistente Entscheide vermieden werden.

Zumindest sollte das BAG systematisch (internationale) Experten im entsprechenden Fachbereich einbeziehen, da Orphan Drugs komplexe Produkte sind, deren Verständnis ein spezielles Fachwissen erfordert.

D. «Early Dialogue»

Auf der Ebene der Zulassung besteht die Möglichkeit für sogenannte Firmenmeetings, während welchen Fragen zwischen Swissmedic und der Zulassungsinhaberin mit einiger Verbindlichkeit geklärt werden können.58 Ein früherer Dialog zwischen BAG und Zulassungsinhaberin erscheint auch im Bereich der Vergütung als unabdingbar. In diese Richtung geht zwar nun der Vernehmlassungsvorschlag des BAG (vgl. Art. 69 Abs. 5 E-KVV). Vorgesehen ist allerdings ein erhebliches Ermessen des BAG, ob es überhaupt zu einem Dialog kommen soll. Die Vorabklärung sollte u.E. die Regel und nicht die Ausnahme sein. Zudem soll das BAG im Rahmen der Vorabklärung keine Überprüfung der Aufnahmebedingung vornehmen (vgl. Art. 31d Abs. 4 E-KLV). Die Ergebnisse seien unverbindlich (Art. 69 Abs. 5 E-KVV). Inwiefern ein solches Meeting zu produktiven Ergebnissen hinsichtlich der Aufnahme führen soll, erweist sich damit als fraglich. Vielmehr sollte sich das BAG frühzeitig über seine Einschätzung der Erfüllung der Aufnahmekriterien äussern, um alsdann einen langwierigen Schriftenwechsel zu vermeiden. U.E. ist es daher unabdingbar, dass sich das BAG frühzeitig im Rahmen eines «Early Dialogues» zu den Aufnahmebedingungen – verbindlich – äussert, gerade auch bei Orphan Drugs.

E. Früherer Start des SL-Aufnahmeprozesses

Eingehergehend mit dem «Early Dialogue» sollte der Beginn des Aufnahmeverfahrens weiter vorverschoben werden. Heute ist ein Gesuch um Aufnahme in die SL erst mit einem positiven Vorbescheid von Swissmedic möglich (Art. 69 Abs. 4 KVV). Beurteilungsgrundlagen hinsichtlich der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit und auch der Wirtschaftlichkeit bestehen allerdings bereits weit vorher. Insofern sollte das Gesuchsverfahren ab dem Zulassungsgesuch ermöglicht werden mit dem Ziel, eine Vergütungslösung ab dem Tag der Zulassung durch Swissmedic zu erreichen, wie dies z.B. Interpharma vorschlägt.59

F. Verbindliche Prozessstrukturierung

Im Verfahren der Zulassung durch Swissmedic bestehen verbindliche «Milestones» mit entsprechenden Fristen.60 Es besteht sogar die Möglichkeit einer Beschleunigung im Rahmen des Verfahrens mit Voranmeldung, bei welchem zwar eine erhöhte Gebühr verlangt wird, Fristenüberschreitungen durch Swissmedic zu Gebührenreduktion führt und die Fristenüberschreitung durch die Zulassungsinhaberin dazu führt, dass das Gesuch alsdann trotz erhöhter Gebühr nur noch als Standardgesuch behandelt wird.61 U.E. muss sichergestellt werden, dass das BAG zumindest verbindliche Fristen einhält. Für Orphan Drugs ist gar zu überlegen, auch beim BAG ein ähnliches Verfahren mit Voranmeldung zu implementieren.

G. Vermeidung von Limitierungen

Limitierungen der Vergütungen (Art. 73 KVV) führen zwangsläufig zu einer gewissen Rationierung. Allfällige Datenlücken für gewisse Patientenpopulationen, welche z.B. zu einer Limitierung führen, sollten dabei proaktiv mittels Registern adressiert und möglichst geschlossen werden. So kann auf eine Limitierung und damit einen Ausschluss gewisser Patientengruppen von der Vergütung über die SL verzichtet werden. Allfällige Unsicherheiten könnten z.B. mittels flexiblen Preismodellen adressiert werden.

VII. Fazit

Seit der Einführung der VAZV und damit der vereinfachten Zulassung von wichtigen Arzneimitteln für seltene Krankheiten im Jahr 2006 bzw. des Nationalen Konzepts für seltene Krankheiten im Jahr 2014 sind immer mehr Zulassungen von Orphan Drugs erfolgt. Die Vergütung dieser Arzneimittel über die SL hat jedoch nicht Schritt halten können und es haben sich systemische Probleme offenbart. Die verfügbaren Daten zeigen, dass der Aufnahmeprozess für Orphan Drugs sehr lange dauert (durchschnittlich über 2 Jahre), und Orphan Drugs nur teilweise über die SL erstattet werden (ca. 60%). Um der Bevölkerung eine möglichst reiche Palette an ohnehin seltenen Orphan Drugs zur Verfügung stellen zu können, bestehen diverse Verbesserungsvorschläge, so die weitere Förderung von Forschung und Entwicklung, die Optimierung des Personaleinsatzes des BAG zur Beschleunigung des Vergütungsprozesses, die bessere Abstimmung zwischen Zulassungs- und SL-Aufnahmeprozess, einen «Early Dialogue», der frühere Start des SL-Aufnahmeprozesses, die Einbindung (internationaler) Experten und Patientenorganisationen und eine verbindliche Prozessstrukturierung. In dieser Hinsicht ist ein dringender Handlungsbedarf zu erkennen. Zu hoffen bleibt, dass die Politik die notwendigen Schritte einleitet.

  1. * Die Autoren vertreten ihre eigene Meinung.
  2. 1 Vgl. VO (EU) 141/2000, Erwägungsgrund 1; Hagn Daniel/Schöffski Oliver, Orphan Drugs, in: Oliver Schöffski/Frank-Ulrich Fricke/Werner Guminski (Hrsg.), Pharmabetriebslehre, Berlin/Heidelberg 2008, 413 f., m.w.H.; Sprecher Franziska, Arzneimittel für seltene Krankheiten (orphan drugs), AJP 2012, 1747; Stürchler Nikolas, Heilmittel für seltene Krankheiten Schlüssel zu wirksamer Regulierung in der Schweiz, AJP 2002, 883.
  3. 2 Für eine Übersicht zu den Regelungen hinsichtlich Oprhan Drugs in verschiedenen Ländern vgl. Gammie Todd/Lu Y. Christine/Babar Zaheer Du-Din, Access to Orphan Drugs: A Comprehensive Review of Legislations, Regulations and Policies in 35 Countries, in: PLoS ONE 10(10): e0140002, Stand 2015, (abrufbar unter < https://doi.org/10.1371/journal.pone.0140002 >, Stand 14.7.2022).
  4. 3 Heilmittelgesetz, SR 812.21.
  5. 4 Vgl. Swissmedic, HD-Verzeichnis Liste aller Länder mit vergleichbarer Humanarzneimittelkontrolle, Stand 1. Dezember 2020.
  6. 5 Orphan Drug Status.
  7. 6 Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren, SR 812.212.23.
  8. 7 Vgl. auch Swissmedic, Wegleitung Orphan Drug HMV4, Stand 1. März 2021.
  9. 8 Swissmedic, Wegleitung Orphan Drug HMV4, Sand 1. März 2021, Ziff. 6.3.
  10. 9 Vgl. Ziff. II.B hiervor; Swissmedic, Wegleitung Orphan Drug HMV4, Stand 1. März 2021, Ziff. 7.2.
  11. 10 Krankenversicherungsgesetz, SR 832.10.
  12. 11 Bundesamt für Gesundheit.
  13. 12 Spezialitätenliste.
  14. 13 Obligatorische Krankenpflegeversicherung.
  15. 14 Zum Ganzen vgl. SBVR Soziale Sicherheit-Eugster, Kap. E Rz. 698.
  16. 15 Krankenpflege-Leistungsverordnung, SR 832.112.31.
  17. 16 Zum Inhalt des Gesuchs vgl. auch das Handbuch zur Spezialitätenliste, Ziff. B. 1 ff.
  18. 17 Verwaltungsverfahrensgesetz, SR 172.021.
  19. 18 Krankenversicherungsverordnung, SR 832.102.
  20. 19 Zu den Aufnahmekriterien vgl. eingehend BSK KVG-Wildi, Art. 52/52a N 16 ff.
  21. 20 BGE 133 V 115 E. 3.1, m.w.H; BGE 137 V 295 E. 6.1, m.w.H.; BGer, 18.4.2013, 9C_1011/2012, E. 2.2, m.w.H; Für das Heilmittelrecht vgl. BSK HMG-Schott/Albert, Art. 10 N 15, m.w.H., insbesondere auf BVGer, 24.7.2018, C-5649/2015, E. 5.3.
  22. 21 Zur Wirksamkeit vgl. BSK KVG-Wildi, Art. 52/52a N 38 ff.
  23. 22 Zur Zweckmässigkeit vgl. BSK KVG-Wildi, Art. 52/52a N 48 ff.
  24. 23 Auslandspreisvergleich.
  25. 24 Therapeutischer Quervergleich.
  26. 25 Zur Wirtschaftlichkeit vgl. BSK KVG-Wildi, Art. 52/52a N 54 ff.
  27. 26 Eidgenössische Arzneimittelkommission.
  28. 27 Vgl. zum Ganzen https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/doku mente/nat-gesundheitsstrategien/gesundheit2020/fakenblaet ter-alle/factsheet-seltene-krankheiten.pdf.download.pdf/111- 5-factsheet-seltene-krankheiten-d.pdf (Stand 14.7.2022).
  29. 28 Vgl. für eine Übersicht zur damaligen Situation Sprecher Franziska, Seltene Krankheiten, in: Jusletter 19. Mai 2014.
  30. 29 Vgl. dazu Art. 71a–d KVV.
  31. 30 Vgl. Nationales Konzept Seltene Krankheiten (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/politische-auftraege-und-aktionsplaene/nationales-konzept-seltene-krankheiten.html, Stand 14.7.2022).
  32. 31 Kosek, Medienmitteilung: «6 neue Zentren zur besseren Versorgung von Betroffenen von seltenen Krankheiten» (https://www.kosekschweiz.ch/ueber-kosek/medien/medienmitteilung-6-neue-zentren-zur-besseren-versorgung-von-betroffenen-von-seltenen-krankheiten, Stand 14.7.2022).
  33. 32 Vgl. https://www.kosekschweiz.ch/versorgung/zentrenseltenekrankheiten (Stand 14.7.2022).
  34. 33 Swissmedic, Wegleitung Orphan Drug HMV4, Sand 1. März 2021, Ziff. 7.2.
  35. 34 Gemäss § 35a Abs. 1 SGB V (Sozialgesetzbuch V; vgl. BGBl. I S. 2477, 2482) in der Fassung gemäss AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz; vgl. BGBl. 2010 I S. 2262) ist für Orphan Drugs ein Zusatznutzen mit der Zulassung belegt; weitere Angaben müssen nicht vorgelegt werden.
  36. 35 Fabrikabgabepreis.
  37. 36 Publikumspreis.
  38. 37 Vgl. http://www.xn--spezialittenliste-yqb.ch/ShowPreparations.aspx (Stand 14.7.2022).
  39. 38 Vgl. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/services/listen_neu.html, Ziff. 1.7 «Wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten (Orphan Drugs bei Humanarzneimitteln)».
  40. 39 Geburtsgebrechen-Spezialitätenliste, vgl. Art. 14terAbs. 5 IVG (Invalidenversicherungsgesetz, SR 831.20) sowie Art. 3sexiesIVV (Invalidenversicherungsverordnung, SR 831.201).
  41. 40 Vgl. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/services/listen_neu.html, Ziff. 1.7 «Wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten (Orphan Drugs bei Humanarzneimitteln)».
  42. 41 Vgl. dazu Art. 31b KLV.
  43. 42 Vgl. IQVIA, EFPIA Patients W.A.I.T. Indicator 2021 Survery, April 2022 (https://www.efpia.eu/media/636821/efpia-patients-wait-indicator-final.pdf, Stand 14.7.2022); als «Verfügbarkeit» ist die volle Vergütung durch die Krankenversicherung definiert, «limitierte Verfügbarkeit» bedeutet die Vergütung für eine bestimmte Subpopulation oder auf individueller Basis wie z.B. über Art. 71a–d KVV; in der Schweiz ist individuelle Vergütung (also per Entscheid im Einzelfall) über Art. 71a–d KVV möglich. Art. 71a–d KVV wurden ursprünglich 2011 eingeführt und per 2017 überarbeitet (vgl. AS 2017 623).
  44. 43 Vgl. IQVIA, EFPIA Patients W.A.I.T. Indicator 2021 Survery, April 2022 (https://www.efpia.eu/media/636821/efpia-patients-wait-indicator-final.pdf, Stand 14.7.2022).
  45. 44 Vgl. IQVIA, EFPIA Patients W.A.I.T. Indicator 2021 Survery, April 2022 (https://www.efpia.eu/media/636821/efpia-patients-wait-indicator-final.pdf, Stand 14.7.2022).
  46. 45 Vgl. dazu Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/seltene-erkran kungen/orphans-absatz-und-umsatz#:~:text=Gemessen%20an% 20den%20Gesamtausgaben%20der,unter%2010%20Millionen% 20Euro%20, Stand 14.7.2022).
  47. 46 Mestre-Ferrandiz Jorge/Plaska Christina/Kelly Tom/Hutchings Adam/Parnaby Adam, An analysis of orphan medicine expenditure in Europe: is it sustainable? Orphanet J Rare Dis 14, 287 (2019) (abrufbar unter https://doi.org/10.1186/s13023-019-1246-7, Stand 14.7.2022)
  48. 47 Vgl. https://www.interpharma.ch/blog/auslandpreisvergleich-bestaetigt-medikamente-sind-kein-kostentreiber/, Stand 14.7.2022).
  49. 48 Mestre-Ferrandiz Jorge/Plaska Christina/Kelly Tom/Hutchings Adam/Parnaby Adam, An analysis of orphan medicine expenditure in Europe: is it sustainable? Orphanet J Rare Dis 14, 287 (2019) (abrufbar unter https://doi.org/10.1186/s13023-019-1246-7, Stand 14.7.2022)
  50. 49 Vgl. Interpharma, Gesundheitsmonitor 2022 (abrufbar unter https://www.interpharma.ch/wp-content/uploads/2022/06/LV-IPH.01.22.001-%E2%80%93-Gesundheitsmonitor-2022_d_V02.pdf, Stand 14.7.2022).
  51. 50 Vgl. BAG, Evaluation der Vergütung von Arzneimitteln im Einzelfall nach den Artikeln 71a–71d KV (abrufbar unter https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/evaluationsberichte/evalber-kuv.html, Stand 14.7.2022).
  52. 51 Swiss Patient Access Pilot, vgl. https://www.swisspap.info/de/ (Stand 14.7.2022).
  53. 52 Vgl. https://www.fedlex.admin.ch/de/consultation-procedures/ongoing#EDI (Stand 14.7.2022).
  54. 53 Vgl. https://www.interpharma.ch/blog/medienmitteilung-kvv-revision-zugangsproblem-fuer-patientinnen-und-patienten-wird-weiter-verschaerft/ (Stand 14.7.2022).
  55. 54 Bundesrat, Gesetzliche Grundlage und finanzielle Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der Versorgung im Bereich seltene Krankheiten (abgerufen unter https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/kuv-leistungen/seltene-krankheiten/bericht-des-br-gesetzliche-grundlage-sicherstellung-versorgung-seltene-krankheiten.pdf.download.pdf/Gesetzliche%20Grundlage%20und%20finanzielle%20Rahmenbedingungen%20zur%20Sicherstellung%20der%20Versorgung%20im%20Bereich%20seltene%20Krankheiten.pdf, Stand 14.7.2022)
  56. 55 Vgl. https://www.fedlex.admin.ch/de/consultation-procedures/ended/2020 (Stand 14.7.2022).
  57. 56 Vgl. oben Ziff. IV.D.
  58. 57 Vgl. oben Ziff. III.C.3.
  59. 58 Vgl. Swissmedic, Wegleitung Firmenmeetings im Bereich der Zulassung HMV4.
  60. 59 Vgl. https://www.interpharma.ch/blog/medienmitteilung-interpharma-schlaegt-einen-rueckvergueteten-innovationszugang-fuer-patientinnen-und-patienten-vor/ (Stand 14.7.2022).
  61. 60 Vgl. Swissmedic, Wegleitung Fristen Zulassungsgesuche HMV4.
  62. 61 Vgl. Swissmedic, Wegleitung Verfahren mit Voranmeldung HMV4.