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Aus der ZeitschriftLSR 4/2018 | p. 222–222Es folgt Seite №222

Verzögerter Zugang zu Innovation gefährdet Pharmastandort Schweiz

Forschung und Innovation sind wesentliche Treiber des Schweizer Wohlstandes. Eine zentrale Voraussetzung für Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein starker Patentschutz. Aus der Schweiz werden pro Kopf am meisten Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet, und die innovative Pharmaindustrie leistet zu dieser erfreulichen Bilanz einen entscheidenden Beitrag.

Damit die Pharmaindustrie als wichtige Exportbranche weiterhin einen gewichtigen Beitrag zum Schweizer Wirtschaftswachstum und zur Wohlfahrt beitragen kann, braucht die Branche verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu gehören ein guter Schutz des geistigen Eigentums und die rasche Überführung von Innovation in die medizinische Versorgung zum Wohle des Patienten. Ersteres hat das Parlament namentlich mit der Revision des Heilmittelgesetzes bestätigt. Dagegen vergrössern sich die ohnehin schon vorhandenen Schwachstellen bei letzterem. So stellen wir fest, dass sich die Aufnahme neuer Medikamente und neuer Indikationen in die Spezialitätenliste (SL) in den vergangenen zwei Jahren massiv verlangsamt hat. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kommt der Verordnungsbestimmung in Art. 31b der KLV, wonach die SL-Aufnahme in der Regel innert 60 Tagen nach der Zulassung durch die Heilmittelbehörde Swissmedic zu erfolgen hat, immer weniger nach. Der Anteil der Neuaufnahmen innert 60 Tagen betrug in den Jahren 2016 und 2017 nur noch ein Drittel, und im ersten Halbjahr 2018 wurde noch kein neues Medikament innerhalb dieser Frist aufgenommen.

Diese unbefriedigende Situation hat sich jüngst verschärft, weil das BAG Massnahmen zu Gunsten einer fristgerechten Umsetzung der dreijährlichen Überprüfung der Medikamentenpreise auf Kosten der Aufnahme innovativer Medikamente ergriffen hat. Infolgedessen bearbeitete das BAG während zweier Monate keine neu eingereichten Dossiers mehr und die August-Sitzung der Eidg. Arzneimittelkommission wurde abgesagt. Probleme bestehen zudem auch bei der Umsetzung des therapeutischen Quervergleichs, welcher nebst dem Auslandpreisvergleich ausschlaggebend für die Preisfestsetzung bei neuen Medikamenten ist und auch bei der Preisüberprüfung zum Tragen kommt (APV und TQV werden im Verhältnis 1:1 gewichtet).

Selbstverständlich sollen die Preise nicht nur die Innovation honorieren, sondern für die Gesellschaft auch tragbar sein. Die Pharmabranche leistet seit Jahren einen gewichtigen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Allein aufgrund der dreijährlichen Überprüfung im vergangenen Jahr wurden die Preise von rund 350 Medikamenten zum Teil massiv gesenkt. Die Einsparungen übertrafen mit 190 Mio. Franken die Schätzungen des BAG bei weitem. Ursprünglich ging das BAG von Einsparungen in der Höhe von 180 Mio. Franken für alle drei Überprüfungsrunden 2017–2019 zusammen aus. Hinzu kommen weitere 105 Mio. Franken Einsparungen aufgrund von Preissenkungen nach einer befristeten Neuaufnahme oder Erweiterung der Indikation. Gerade neue und innovative Medikamente gegen Krebs und andere schwere Krankheiten werden heute in der Regel durch das BAG nur noch für ein oder zwei Jahre befristet in die Erstattung aufgenommen. Diese strikte Praxis des BAG sowie die regelmässigen dreijährlichen Preisüberprüfungen haben dazu geführt, dass gerade neue, wirksamere Medikamente heute preislich auf oder unter europäischem Niveau liegen. Die Medikamente sind zudem der einzige Bereich im Gesundheitswesen, der regelmässig institutionalisierten Preissenkungen unterliegt.

Kein Land profitiert so stark von der Pharmabranche wie die Schweiz. Grosse Sorgen bereitet uns daher, wenn gesetzlich verankerte Ziele wie die 60-Tage-Regelung für die Aufnahme in die SL nicht mehr eingehalten werden, der therapeutische Quervergleich willkürlich umgesetzt erscheint und damit die Berechenbarkeit des Systems leidet. Damit der Standort Schweiz nicht geschwächt wird, besteht dringender Handlungsbedarf. Wir erwarten in den nächsten fünf Jahren mehrere Hundert Zulassungen von neuen Wirkstoffen, neuen Indikationen und Kombinationen innovativer Medikamente. Es ist unser Ziel, auch künftig den nachhaltigen Zugang aller Patienten in der Schweiz zu diesen Innovationen sicherzustellen. Um das bestehende Preisbildungssystem weiterzuentwickeln und die drängenden Probleme zu lösen, muss der Dialog von Seiten der Behörden nun dringend intensiviert werden. Die Industrie ist bereit, konstruktiv und lösungsorientiert mitzuarbeiten.